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Wenig Grund zur Klage
hatten die Verkäufer von Qualitätszigarren schon in den vergangenen
beiden Jahrzehnten. Der gestiegene Verbrauch wurde getragen vom Trend
zum bewussten Genießen und Zigarre rauchender Prominenz - selbst
die Antiraucherkampagnen der europäischen Gesundheitsminister vermochten
daran nur wenig zu ändern.
Sinnigerweise war der Boom in Deutschland und Europa eine Folge des Booms
in den ansonsten militant raucherfeindlichen USA. Zwischen 1993 und 1997
wuchs der Umsatz dort jährlich zwischen 40 und 65 Prozent, allein
von 1992 bis 1995 verdoppelte sich die Zahl der Premiumraucher auf mehr
als 800000, von denen Arnold Schwarzenegger, Madonna und Sharon Stone
die Celebrity-Spitze bildeten; in Deutsch land wird die Zahl der Premiumraucher
auf 60000 geschätzt. Ge fragt bei diesen Connaisseurs sind vor allem
so genannte Longfiller, handgerollte Zigarren mit einer Einlage aus ganzen
Tabakblättern.
Weil amerikanische Raucher kubanische Produkte wegen des seit der Kuba-Krise
von 1961 bestehen den Embargos bis heute offiziell nicht kaufen dürfen,
wurden in den Neunzigerjahren von Jamaika bis Nicaragua und von Honduras
bis nach Ecuador Zigarrenfabriken aus dem Boden gestampft. Rohtabakproduzenten
aus Kamerun, Brasilien, Mexiko und im US-Bundesstaat Connecticut - für
das modern und chic wirkende helle Deckblatt Connecticut Shade - verdienten
kräftig mit an dem Boom.
Heute hat sich der Verbrauch in den USA ebenso wie in Deutschland auf
hohem Niveau stabilisiert. Rund15 Millionen Premiumzigarren werden hier
zu Lande pro Jahr verkauft, zu Preisen zwischen 3,50 und fast 40 Euro.
Die immer noch deftigen Preise für Havannas sind eine Folge der stark
schwankenden Qualität und des knappen Angebots an guter Ware, das
auch seinen verbotenen Weg in die USA findet: Das Handelsembargo schreckt
keinen amerikanischen Cigar-Aficionado da von ab, sich auf Reisen einzudecken.
Seit Anfang Juli sind die dicken Dinger in deutschen Fachgeschäften
im Schnitt um rund ein Fünftel billiger geworden. Tabakwarenhändler
wie Werner Sommer in München hoffen auf neue Kunden, denen der blaue
Dunst aus Castros lnselreich bisher viel zu teuer war: "Das wird
uns einen Schub geben."
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Doch das ist wohl
übertrieben, denn zur Aldi-fähigen Massenware werden die Havannas
noch lange nicht: Die mittelgroße Montecristo 4, eines der am meisten
verbreiteten Formate, kostet immer noch sieben Euro pro Stück - vorher
waren es 8,60 Euro. Und für die Romeo y Julieta Churchill, verpackt
in matt schimmernde Aluminiumröhrchen und laut Heinrichs "der
klassische Riesenglimmstengel für alle, die reich und erfolgreich
aussehen wollen", muss man nur noch 14 (statt 16) Euro hinblättern.
Am größten sind die Rabatte bei den Großformaten der
Marken La Gloria Cubana und Bolivar mit mehr als 40 Prozent.
Immerhin: Für passionierte Havannaraucher sind Einstiegspreise ab
acht Euro fast ein echtes Schnäppchen - zumal es sich um Originalware
aus den Drehereien der Zuckerrohrinsel handelt - mit Zertifikat und allem
sonstigen Brimborium ausgestattet - und nicht um minderwertige Fälschungen.
Außerdem sieht die Kalkulation eines Aficionados sowieso anders
aus, Wer sich, wie etwa Kanzler Schröder zu seinen besseren Zeiten,
pro Tag zwei Havannas der Marke Cohiba Espléndido leistet, musste
dafür bisher ein Monatsbudget von 1778,40 Euro veranschlagen. Künftig
spart er 242,40 Euro, genau 4,04 Euro pro Stück. Dass der blaue Dunst
mit den schädlichen Nebenwirkungen auf Atmungstrakt und weiße
Gardinen immer noch 1536 Euro pro Monat kostet, stört einen hemmungslosen
Genießer und Dandy nicht wirklich.
Doch die Havannakonkurrenz ist ziemlich sauer. Thomas Strickrock, Verkaufsleiter
von Wöhrmann Cigars, Importeur edlen Rauchwerks von den Kanarischen
Inseln, ärgert sich, dass ausgerechnet die kubanischen Staatssozialisten
das Regel- werk von Angebot und Nachfrage zu seinen Ungunsten in Gang
gesetzt haben: "Für Cohiba-Raucher ist es doch wirklich egal,
ob sie 25,60 oder knapp 30 Euro für ihre Zigarre bezahlen",
klagt er, "war es wirklich nötig, so viel Bewegung in unseren
winzig kleinen Markt zu bringen - wir hatten so schöne, stabile Preise."
Damit ist es jetzt wohl vorbei. Strickrock befürchtet, dass andere
Lieferländer dem kubanischen Beispiel folgen.
Die Gründe für die verbraucherfreundliche Geste der offiziell
immer noch sozialistischen Kubaner sind ausgesprochen marktwirtschaftlich,
mithin eigennützig. Zwar lobt Michael Blumendeller, Vertriebsleiter
des deutschen Havanna-Monopolimporteurs 5 Avenue in Waldshut-Tiengen am
Hochrhein die Aktion als "unseren Beitrag gegen den Teuro".
Aber das ist natürlich nicht ernst gemeint. Tatsächlich, so
Blumendeller, war die Preissenkung eine "Reaktion auf die Erfolge
der Zigarrenproduzenten in der Dominikanischen Republik, in Nicaragua
und in Honduras".
Und die kamen nicht von ungefähr. Die Originalware aus Kuba hat seit
den Zeiten von Queen Victorias Sohn Edward Vif, des Pianisten Arthur Rubinstein,
Winston Churchill und Zino Davidoff ein legendäres Image. Unschlagbar
bei Geschmack und äußerem Erscheinungsbild eignet sie sich
ganz besonders für jene Geste, mit der jeder noch so unerfahrene
Raucher den Experten von Welt mimen kann: beim Rollen der Zigarre zwischen
zwei Fingern am Ohr. Dabei muss es auf eine bestimmte Weise knistern,
nicht "strohig" (zu trocken), aber erst recht nicht "ölig"
(zu feucht).
Längst nicht immer knistern die Havannas richtig, immer öfter
wurde in den vergangenen Jahren die versprochene Spitzenqualität
verfehlt. Einzelhändler wie Sommer in München, Peter Heinrich
in Köln und Eberhard Wolff in Berlin bestätigen "Qualitätsprobleme,
die die Kubaner einfach nicht in den Griff kriegen". Manche Zigarren
sind zu fest gerollt und ziehen selbst dann nicht, wenn der Raucher vom
kräftigen Saugen schon einen rot angelaufenen Kopf bekommen hat.
Andere sind zu schlapp und brennen ebenfalls schlecht.
Obendrein leiden die Zigarrenhändler unter dem sonst vor allem für
die Automobilbranche typischen Problem der Grauimporte. Kistenweise kommen
die vier wichtigsten Marken Cohiba, Montecristo, Romeo y Julieta und Partagas
auf "unkonventionellen Vertriebswegen" nach Deutsch land, vor
allem über Spanien und Andorra. Um die Einzelhändler davon abzuhalten,
diese im Prinzip nicht weniger "echten" Havannas zu verkaufen,
schreckt der offizielle Importeur auch vor Ekelargumenten nicht zurück:
"Abgesehen von unzuverlässiger Qualität muss man immer
mit Tabakkäfern rechnen' warnt Blumendeller, "wer sich so etwas
einfängt, muss sein gesamtes Lager vernichten."
Das ist wohl eine sehr dramatische Schilderung. Die Händler sehen
es jeden falls gelassen. Sommer beispielsweise betont, dass seine Havannas
natürlich nur aus offiziellen Quellen stammten, fügt aber hin
zu: "Ich habe mir sagen lassen, dass die grauen Havannas auch nicht
schlechter sind als die offiziellen Importe - aber billiger." Soll
heißen: Bei Grauimporten gibt es nicht mehr Reklamationen als bei
den mit Brief und Siegel der 5 Avenue versehenen Kistchen. Auch der Tabakkäfer
knabbert nicht nur an Billigware: Immer mal wieder findet sich eines der
Tierchen in teuer erworbenen Duty-Free-Gebinden. Christoph Puszkar, Marketingmann
bei 5 Avenue, will denn auch nur für sein Lager die Hand ins Feuer
legen: "Wir frieren jede Kiste ein, nicht nur die Importe, sondern
auch alle Retouren von den Händlern - das überlebt kein Käfer'
versichert er, "aber was passiert, wenn die Ware unser Lager verlassen
hat, weiß ich nicht."
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Diese Auskunft unterscheidet
sich nur um Nuancen von der der grauen Händler. Deren bestes Verkaufsargument
war lange die zu geringe Verdienstspanne bei offiziellen Havannas. Und
weil die Händler auch mit den mittlerweile qualitativ deutlich besser
gewordenen handgerollten Zigarren aus der Dominikanischen Republik, aus
Jamaika und von den Kanarischen Inseln mehr verdienen konnten, haben die
Kubaner jetzt al le Verkaufshindernisse in einem Aufwasch mit erledigt:
Nach der Preissenkung steigt die Spanne von 33 auf 40 Prozent, was die
Havannas mit ihren Konkurrenzprodukten im Handel gleichziehen lässt.
Das relativiert auch den bisherigen Preisvorteil von außerhalb des
Fachhandels erworbenem Nachschub: Deutsche Zigarrenraucher kaufen gern
in der Schweiz und in Spanien - wo die Läden zwar häufig primitiver,
aber die Preise deutlich niedriger sind - und auch über das
Internet ließen sich die von den Importeuren verordneten Vertriebswege
einfach umgehen.
Wer als Sieger aus dein Zigarrenkrieg hervorgeht, ist schwer zu sagen.
Der große Unsicherheitsfaktor ist Fidel Castro. Auf seinen Tod haben
einige Private Equity Fonds große Summen gewettet. Sie hoffen darauf,
dass nach Castro das Chaos ausbricht und bunkern große Mengen "alter"
Ware, um sie teuer verkaufen zu können. Vielleicht geht die makabre
Wette sogar auf.
Artikel von MICHAEL
FREITAG
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